Lesezeit: 7 min I von Simone Stey
Vielleicht ist dir schon mal bewusst geworden, dass du in bestimmten Situationen immer wieder in die gleichen Verhaltensmuster verfällst. Und obwohl du dich ändern möchtest, fällt es dir doch unglaublich schwer.
Diese inneren Steuerungsmuster, die unser Denken, Fühlen und Verhalten beeinflussen, nennt man Innere Antreiber. Oft werden die Inneren Antreiber mit den Begriffen Stress, Überlastung und Burnout verknüpft. Doch sie haben auch eine positive Seite. Ich möchte dir in diesem Beitrag sowohl die Sonnen- als auch die Schattenseite der Inneren Antreiber näher bringen.
Ausserdem erfährst du, was genau die Inneren Antreiber überhaupt sind, wie du deine inneren Antreiber erkennst und mit ihnen umgehen kannst, und ich gebe dir wirksame Tipps, wie du deine Antreiber als Antriebskraft nutzen kannst, anstatt sie als Stressor gegen dich spielen zu lassen.
Bereit?
1. Wer oder was sind die Inneren Antreiber?
Du kannst dir die inneren Antreiber wie leise Stimmen in deinem Kopf vorstellen, die dich in vielen Situationen unbewusst steuern. An manchen Tagen sind sie kaum zu bemerken. Doch besonders in Stresssituationen oder in Momenten, in denen es für dich darauf ankommt, schlagen sie Alarm. Dann sprechen sie mit eindringlicher Stimme zu dir und treiben dich von innen heraus an, so zu denken und zu handeln, wie sie es gewohnt sind. Meistens haben wir ein bis zwei Hauptantreiber in uns, die uns – wenn wir sie unreflektiert wüten lassen – das Leben ziemlich schwer machen können.
Es gibt fünf innere Antreiber:
Sei stark!
Sei perfekt!
Sei gefällig!
Streng dich an!
Sei schnell!
Die Antreiber sind in jedem von uns angelegt, das heißt, wir alle tragen Aspekte von allen Antreibern in uns. Manche sind stärker ausgeprägt, andere weniger stark. Diese Steuerungsmuster können uns motivieren, unsere Ziele zu erreichen, uns unterstützen unseren Alltag zu bewältigen und uns vor Fehlern bewahren. Auf der anderen Seite können sie uns besonders in stressigen Situationen stark unter Druck setzen und zu immer höheren Leistungen antreiben. Das kann sich in überhöhten Ansprüchen an uns selbst manifestieren, und zu Stress, Erschöpfung oder Burnout führen.
2. Woher kommen die Inneren Antreiber?
Innere Antreiber sind innere Glaubenssätze, welche meistens schon in der Kindheit durch direkte oder indirekte Botschaften an uns entstanden sind, oder durch Lernen an Vorbildern.
Das möchte ich dir gerne an einigen Beispielen aufzeigen:
- Hat dein Vater zum Beispiel immer sehr hart arbeiten müssen, und alles perfekt machen wollen? Oder konnte deine Mutter Niemandem einen Gefallen abschlagen? - Diese Verhaltensweisen werden von uns als Kind als normal betrachtet und auf diese Weise unreflektiert verinnerlicht.
- Hast du als Kind oft zu hören bekommen: “Ein Indianer kennt keinen Schmerz”? Wenn du weinen musstest, wurde dir gesagt, du solltest damit aufhören? Dann kann es passieren, dass du dich selbst erst dann als “in Ordnung” erlebst, wenn du deine Empfindungen unterdrückst. Ein “Sei stark” Antreiber könnte die Folge sein.
- Hast du nur dann Aufmerksamkeit von deinen Eltern bekommen, wenn du gute Leistungen erbracht hast? Das hat dich angetrieben, immer gute Noten nach Hause zu bringen. So kann es sein, dass du einen “Sei perfekt” Antreiber entwickelst.
Wenn du nun denkst, die Inneren Antreiber seien etwas Negatives: So ist es nicht! Denn unsere Antreiber sind im Grunde genommen nützlich und repräsentieren sogar unsere Fähigkeiten und Stärken. Wer beispielsweise einen starken Sei-schnell-Antreiber hat, kann auch schnelle Entscheidungen treffen und Dinge rasch wegarbeiten.
Unter Stress werden die Antreiber jedoch oft aktiviert und rufen dadurch nur weiteren Stress hervor. Oft glauben wir, dass die Verhaltensweise, welche durch unseren Antreiber ausgelöst wird, uns bei der Bewältigung der Situation hilft. Fakt ist aber, dass wir dadurch noch mehr unter Druck geraten. Gert Kaluza, einer der führenden Psychologischen Psychotherapeuten im Bereich der Stressbewältigung nennt die Inneren Antreiber deshalb auch „persönliche Stressverschärfer“.
Ich stelle dir die fünf inneren Antreiber im folgenden Abschnitt nochmal genauer vor, um sie besser zu verstehen.
3. Welche inneren Antreiber gibt es?
Das Antreibermodell hat seine Wurzeln in der Transaktionsanalyse, und wurde von Taibi Kahler 1977 entwickelt. Jeder Antreiber hat seine eigene Botschaft, die wir im Alltag meist nicht hinterfragen und der wir folgen, egal ob die Botschaft nun für die Lösung der Situation sinnvoll ist oder nicht. Du erkennst diese Botschaft an den typischen Gedanken, die ich dir unter jedem Antreiber aufgeführt habe.
Um stressfördernde Verhaltensmuster eines Antreibers zu durchbrechen, kannst du dieser Botschaft eine neue Botschaft entgegensetzten: einen Erlaubersatz. Damit gibst du dir die Erlaubnis, auch anders handeln zu können (als es dir dein innerer Antreiber vorgibt). Das wiederum gibt dir den Spielraum, situationsbezogen zu entscheiden, wann und wie du deinen Antreiber für dich aktivieren möchtest.
Im Anschluss findest du die inneren Antreiber im Detail:
SEI STARK!
Wenn dieser Antreiber bei dir stark ausgeprägt ist, möchtest du möglichst keine Schwäche zeigen. Fühlst du dich unsicher oder schlecht, versteckst du diese Gefühle vor anderen. Du bist sehr selbstkontrolliert und zeigst nach außen hin Standhaftigkeit und Kontrolle. Niemand soll merken, dass du auch mal schwach, empfindlich oder unsicher bist.
Typische Gedanken bei einem Sei-Stark-Antreiber:
Ich komme alleine zurecht.
Wie es in mir aussieht, zeige ich nicht. Ich bewahre Haltung nach außen.
Ich beiße die Zähne zusammen.
Mögliche Erlauber:
Ich darf meine Gefühle zeigen.
Schwächen sind menschlich.
Ich lasse mich unterstützen.
SEI PERFEKT!
Wenn der Sei perfekt-Antreiber bei dir stark ausgeprägt ist, strebst du nach Perfektion in dem, was du tust. Du legst dir selbst hohe Maßstäbe und erwartest dasselbe von anderen. Fehler sind für dich inakzeptabel, und du tust dein möglichstes, um sie zu vermeiden. Dabei bist du ziemlich streng zu dir selbst und nimmst dir kaum eine Auszeit. Der Wunsch nach Perfektion hat das Ziel, Kritik abzuwenden. Dieser Antreiber kann dir helfen, gute Leistungen zu erzielen, ebenso kann er aber auch zu hoher Selbstkritik und Stress führen.
Typische Gedanken bei einem Sei-Perfekt-Antreiber:
Ich finde immer noch etwas zum Verbessern.
Ich muss stets noch besser werden.
Meine Arbeit mache ich gründlich. Ich mag keine Schlamperei.
Mögliche Erlauber:
Aus Fehlern werde ich klug.
Auch ich darf Fehler machen.
So gut wie möglich, so gut wie nötig.
SEI GEFÄLLIG!
Wenn dieser Antreiber bei dir stark ausgeprägt ist, ist es dir wichtig, es allen recht zu machen. Du bist sehr hilfsbereit und sorgst dich um das Wohl anderer. Um andere zu unterstützen, bist du bereit, deine eigenen Bedürfnisse hintanzustellen. Es gilt, Konflikte möglichst zu vermeiden und Harmonie herzustellen. Dieser Antreiber kann dich zu einem fürsorglichen und teamorientierten Menschen machen, aber er kann auch dazu führen, dass du dich selbst vernachlässigst und deine eigenen Grenzen nicht beachtest.
Typische Gedanken bei einem Sei-Gefällig-Antreiber:
Es fällt mir schwer, Nein zu sagen.
Es ist mir wichtiger, angenommen zu werden, als meine Interessen durchzusetzen.
Positive Bestätigung und Harmonie sind mir sehr wichtig.
Mögliche Erlauber:
Ich darf "nein" sagen (und "ja" zu mir).
Ich achte auf meine Grenzen und Bedürfnisse.
Ich muss es nicht allen recht machen.
STRENG DICH AN!
Wenn diese innere Antreiberhaltung bei dir stark ausgeprägt ist, stehst du oft unter Leistungsdruck. Du setzt dir hohe Ziele und strebst immer nach Verbesserung. Fehler oder Schwäche sind für dich inakzeptabel und werden als persönliche Niederlage betrachtet. Falls dir etwas leicht fällt, kannst du die Erfolge nur schlecht feiern – schließlich musstest du dich gar nicht richtig anstrengen. Den Gedanken, dass du etwas nicht erreichen könntest, akzeptierst du nicht. Der Streng-dich-an-Antreiber ist wie eine treibende Kraft, die dich motiviert, weiterzumachen und deine Grenzen zu überschreiten. Doch dieser Antreiber kann auch zu einer großen Belastung werden. Die ständige Anstrengung und der hohe Leistungsdruck können dich erschöpfen und deine Gesundheit gefährden.
Typische Gedanken bei einem Streng-dich-an-Antreiber:
Erfolg muss man sich hart erarbeiten.
Reiß dich zusammen!
Ich gebe nicht auf!
Mögliche Erlauber:
Ich darf bei der Arbeit auch Spaß haben.
Auch wenn es leicht geht, ist es wertvoll und gut.
Ich darf mir kleine Ziele setzen.
SEI SCHNELL!
Falls du einen starken Sei-Schnell-Antreiber in dir trägst, hast du oft das Gefühl, getrieben zu sein und dich beeilen zu müssen. Du erwartest viel von dir selbst und möchtest Dinge so schnell wie möglich erledigen. Du hast oft das Bedürfnis, Dinge zu beschleunigen und To-Do Listen abzuhaken. Du fühlst dich unwohl, wenn du nicht produktiv bist weil du dann das Gefühl hast, Zeit zu verschwenden. Dieser Antreiber kann dir helfen, effizient zu sein, aber er kann auch zu Stress und einer Vernachlässigung von Entspannung und Regeneration führen.
Typische Gedanken bei einem Sei-Schnell-Antreiber:
Ich mache oft mehrere Dinge gleichzeitig.
Ich darf keine Zeit verschwenden!
Ich bin der Motor, der Dinge voranbringt.
Mögliche Erlauber:
Ich mache eine Sache nach der anderen.
Ich komme auch mit Ruhe ans Ziel.
Es ist in Ordnung, nichts zu tun.
In der folgenden Tabelle findest du nochmal alle Antreiber mit ihrer jeweiligen Sonnen- und Schattenseite zusammengefasst.
Antreiber | Sonnenseite | Schattenseite |
Sei stark | Stärke, Selbstbestimmung & Unabhängigkeit | Ignoranz von Gefühlen & Unnachgiebigkeit |
Sei perfekt | Genauigkeit & Fehlerlosigkeit | Pedanterie, Stress &Selbstkritik |
Sei gefällig | Freundlichkeit & Empathie | Grenzüberschreitung & Selbstaufgabe |
Streng dich an | Gründlichkeit & Durchhaltevermögen | Leistungsdruck & Erschöpfung |
Sei schnell | Schnelligkeit & Umsetzungsfähigkeit | Zeitdruck, Kopflosigkeit & Fehleranfälligkeit |
Ich möchte an dieser Stelle einen persönlichen Rat geben: Es geht beim Antreibermodell keinesfalls darum, dich zu optimieren indem du versuchst, deine Antreiber nur noch in der Positivversion zu nutzen. Allein das würde ja schon wieder Druck erzeugen. Nein! Das Ziel ist es, die eigenen inneren Antreiber zu kennen und zu erkennen, wenn sie über die Stränge schlagen. Das ist für dich in dem Sinne hilfreich, da du besonders stressverschärfende Muster schneller erkennen und mit ihnen arbeiten kannst.
Solltest du also merken, dass du bestimmte Denk- und Verhaltensweisen hast, welche dir immer wieder Energie rauben und dich stressen, dann kannst du die folgenden Schritte befolgen, um die Stimmer der wütenden Antreiber leiser werden zu lassen.
Was du tun kannst, um die inneren Antreiber gezielt für dich zu nutzen
LERNE DEINE ANTREIBER KENNEN
Du hast nun gelesen, welche Antreiber es gibt und wie sie wirken. Der wichtigste Schritt ist für dich zu erkennen, wann und warum du in Stress gerätst. Hast Du erkannt, welcher der fünf Antreiber dich am meisten unter Druck setzt? Beobachte in deinem Alltag, wann dich dieser Antreiber stresst, und wann du von ihm profitierst. Deine Antreiber machen dich aus! Nimm sie liebevoll an, denn ihnen hast du auch deine Erfolge und Fähigkeiten zu verdanken.
HINTERFRAGE DEINE ANTREIBER
Gehe gedanklich in eine konkrete Situation, in der dich dein Antreiber Kraft kostet. Hinterfrage, ob dieser Antreiber wahr ist, ob er in der Situation wirklich nützlich für dich ist und ob du dein Verhalten weiterhin durch den Antreiber bestimmen lassen möchtest.
ERSETZE DEINE ANTREIBER DURCH ERLAUBER
Erlaubersätze sind das Gegenstück zu den verinnerlichten Antreibersätzen. Formuliere einen Erlaubersatz, der sich für dich richtig und passend anfühlt. Ich habe dir oben einige Beispiele gegeben. Die Erlauber sind sehr individuell. Spüre einfach in dich hinein, welcher Satz für dich der passende ist. Übe diesen Erlaubersatz bewusst im Alltag, indem du ihn dir in den stressigen Situationen laut vorsagst.
BLEIB IN DER REFLEKTION
Die Arbeit an inneren Glaubenssätzen ist ein Prozess, der etwas Übung und Geduld erfordert. Lass dir Zeit und gehe immer wieder in die Reflektion. Die inneren Antreiber, die wir bereits über Jahre oder Jahrzehnte verinnerlicht haben, lassen sich nicht einfach verändern, nur weil du ein paar Mal einen Erlaubersatz aussprichst. Sei verständnisvoll mit dir und freue dich über kleine Fortschritte.
Fazit
Wie du siehst, können unsere inneren Antreiber wirklich eine Antriebskraft sein, weil sie uns ausmachen, genau so wie wir sind. Ebenso können sie als Stressor auf uns wirken, wenn wir sie unreflektiert wüten lassen.
Hast du jedoch deine Antreiber unter Kontrolle, kannst du selbst entscheiden, wann du sie für dich aktivieren möchtest und wann nicht. Es ist für dich in Ordnung, der lieben Kollegin diese Woche unter die Arme zu greifen weil sie nächste Woche in den Urlaub geht? Super. Aber du kannst auch bewusst "nein" sagen, wenn es bei dir eben mal nicht in deinen Zeitplan passt oder du keine Energie mehr dafür hast. Ich bin mir ziemlich sicher, dass du "aufblühen" wirst, wenn du deine Antreiber gezielt einsetzt - da du dann deine Stärken leben kannst. Und das macht glücklich. Aber du solltest deinen Antreiber eben bei Bedarf auch ausschalten können. Und ganz gezielt entspannt bleiben. Das ist doch eine verlockende Vorstellung, oder?
Ein Grund mehr, deinen Antreibern mal Manieren beizubringen!
Schreib mir gerne unten in die Kommentare
welcher dein Hauptantreiber ist,
in welchen Situationen der Antreiber besonders oft zuschlägt,
und welche inneren Erlauber dir das Leben leichter machen.
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